Bei ihrem Voranschreiten durch Raum und Zeit sowie durch die Soziotope frisst sich die Usura gierig durch die Bestände dieser Welt. Verschlungen wird alles, was im Magen des Ungeheuers zersetzt werden kann. Die Ausscheidung ist nur allzu oft ein trauriger Haufen einst wertvoller Dinge, die nun billiger Tand und leicht zu konsumieren sind.
Gewachsenes muss dabei nicht zwangsläufig im Wege stehen. So kann etwa ein Staat durchaus nützlich sein, wenn er im kolonialen Ausgreifen andere Völker überfällt und beraubt, sodass die Usura billig an Rohstoffe gelangt. Aber auch zum Niederbomben der Konkurrenz und zum Erobern neuer Märkte und Patente kann der Staat der Usura dienlich sein. Geht es jedoch um Zollschranken, den ethnisch-kulturellen Erhalt einer Nation oder um Befindlichkeiten des Staatsvolks, endet die unheilige Allianz recht schnell – außer natürlich, wenn die Staatsführung käuflich und korrupt ist. Doch selbst dann ist das Volk mit seinen vermeintlich irrationalen Begierden und nicht konsumierbaren Beständen immer noch Feind der Usura. Daher ist es der Usura ein Dorn im Auge, wenn nicht billige Arbeitskräfte und neue Konsumenten importiert werden können – so, wie es doch schon mit Waren und Rohstoffen vonstattengeht. Welcher Vermieter ist gegen steigende Mietpreise aufgrund von Migration, und welcher Arbeitgeber zahlt nicht lieber den billigeren Lohn an Flüchtlinge?
Patriotismus kennt die Usura nicht; sie hat ja kein Heimatland. Verkaufen tut sie den Patriotismus dennoch – als gut konsumierbaren, faden Brei im vollgekotzten Polyesterdirndl auf dem Oktoberfest. Ebenso ist die Familie, in der nicht alle in Lohnarbeit stehen, ein Ärgernis.
Dabei profitiert die Usura wie kaum eine andere Kraft seit ihrem Anbeginn vom Wohlstandsgefälle in der Welt. Die geknechteten Staaten dieser Erde eignen sich für die Usura vorzüglich zur Ausbeutung. Ein schlagkräftiges Militär, eine gute Reputation in der internationalen Gemeinschaft oder eine starke Binnenwirtschaft, die sich souverän gegen äußere Einmischungen durchsetzen kann, gibt es dort für gewöhnlich nicht. Zudem sind die politischen, militärischen und wirtschaftlichen Eliten dieser zumeist ehemaligen Kolonien häufig korrupte, handverlesene Exemplare ihrer reichen einstigen Mutterländer. Darum gelangen Rohstoffe, Arbeitskräfte und Konsumenten in die reichen Länder – Waren der Überproduktion, Unrat und Müll in die armen Länder. Freilich ist die Usura dazu übergegangen, falls möglich, ihre Produktionsmittel nun gleich in den armen Ländern aufzustellen und die Produktionskräfte vor Ort zu nutzen.
Zeitgleich zur Nutzung und zum Erhalt des Wohlstandsgefälles auf der Erde strebt die Usura eine Welt an, in der eine möglichst homogene, beliebige und unkonkrete universelle Menschheit jederzeit und überall alles produzieren und konsumieren kann. Natürliche Identitäten wie Volk, Geschlecht und Herkunft sind dabei zumeist bloß geschäftsschädigend – im wahrsten Sinn. Demgegenüber werden uneigentliche Identitäten gefördert. Was interessiert sie schon, ob einer Igbo aus Nigeria, Korse aus Europa oder einer der Letzten eines aussterbenden Amazonasstammes ist? Ob jedoch jemand Enthusiast einer Smartphonemarke ist und sich jedes halbe Jahr ein neues kauft, ist für die Usura überaus wichtig und wird genauso gefördert wie die Fanbase dieser oder jener Popsubkultur. Denn in einem völlig einförmigen Menschenschleim, in dem alles jenseits von Schönheit und Hässlichkeit liegt, in dem jeder alles sein kann und Identitäten konsumierbar werden, lässt sich ein schier unbegrenzter Kundenpool erschließen, und jeder kann jede noch so schlechte Arbeit für jeden noch so ausbeuterischen Hungerlohn machen.
Offensichtlich stehen sich diese tiefsten Sehnsüchte der Usura zumindest letztlich im Weg. Zwar mag das böse Spiel noch eine ganze Weile gehen, denn zwischen dem Globalen Süden und dem Norden wird es auf absehbare Zeit ein Wohlstandsgefälle geben, und die Migrationsströme in die reichen Länder werden bis auf Weiteres Arbeitskräfte und Kaufwillige sowie den Kapitalfluss von den vermögenden Einheimischen über den Staat zu den neu importierten Konsumenten in die Goldsäcke der Usura sicherstellen. Doch die verbrecherische Ausbeutung der Fabrikarbeiter in den vergangenen zwei Jahrhunderten brachte eine mächtige Arbeiterbewegung hervor, die sich Rechte erstritt und in der ein oder anderen Revolution allzu Gierige vor das Schafott treten ließ, bevor sie durch Korruption, Wohlstandsverwahrlosung und sogenannte Identitätspolitik kaltgestellt wurde. In ähnlicher Weise formieren sich Kräfte in der Welt, die es nicht hinnehmen wollen, dass ihnen ihre Heimat durch Überfremdung, Raubbau und Neoimperialismus zerstört wird, dass sie ihrer wahren und eigentlichen Identitäten beraubt werden und zu Zahnrädern im System werden sollen. Die Zukunft wird zeigen, wie weit es die Völker bringen werden, die der Unterwerfung durch die Usura leid sind – in ihrem Kampf um Freiheit, Schönheit und Vollkommenheit.