Der Künstlerroman als Parabel

Martin Mosebach zeichnet in Die Richtige das Porträt eines Malers, dessen Suche nach Schönheit zur moralischen Grenzüberschreitung wird. Ein feinsinniger, aber illusionsloser Blick in die Welt der Kunst und derer, die von ihr leben.

… der Konsequenz ein Roman, der, wenn nicht Martin Mosebach – der alle zwei Jahre einen Roman veröffentlicht – der Verfasser wäre, keine Beachtung gefunden hätte …


Um den gealterten, leicht dekadent wirkenden Maler Louis Creutz entfaltet sich in Martin Mosebachs neuem Roman Die Richtige das soziale Biotop des gehobenen Bürgertums mit seinen eigenen Regeln und Ränkespielen. In diesem Milieu spielt jede Person eine ihr zugedachte gesellschaftliche Rolle, und die normalen menschlichen Eigenschaften von Liebe und Zuneigung, Eitelkeit und Berechnung treten in ausgeprägtem Maße hervor. Diese steigern sich, in einer großbürgerlichen Kulisse, ins Theatralische, als Creutz – immer auf der Suche nach neuen Modellen, die er in seinen Gemälden verewigen kann – über seinen Freundeskreis die gescheiterte Opernsängerin Astrid Thorblén vorgestellt bekommt, die eigentlich die langfristige Zuneigung einer anderen, wohlhabenderen Figur gewinnen soll.

Aus dieser Figurenkonstellation, die in ihrer Ausarbeitung an die Angehörigen eines Frankfurter Salons erinnert, entspinnt sich ein Roman, in dem Empathie und Zugänglichkeit den Figuren fernliegen und der Leser mit den Auswirkungen des Handelns konfrontiert wird, die den Spannungsbogen und die Intensität ausmachen. Die menschliche Beobachtungsgabe, die Abgründigkeit der Figuren und die für Martin Mosebach typische bildhafte, manchmal leicht ironische Sprache bilden den Reiz eines jeden seiner Romane – vielleicht am stärksten im Generationenroman Westend.

Bemerkenswert ist neben dem Aspekt, dass der Autor einen für ihn typischen Hofstaat um die überragende Figur des Malers Creutz anlegt, die Erinnerung an das Milieu des „alten Frankfurt“ mit seinem Bedeutungsverlust und vorhandenen Vermögen, das sich als Kompensation – besonders im Konsumverhalten – künstlerisch-intellektuell gibt. Bei Uwe Tellkamps Künstlererzählung Das Atelier wurden – unter Verletzung der Trennung zwischen Werk und Autor – sofort Mutmaßungen angestellt, wer sich hinter den Figuren, etwa dem Maler Neo Rauch, bedeutendster Vertreter der Neuen Leipziger Schule, verbergen würde. Diese Frage ist bei Die Richtige, wahrscheinlich weil Mosebach politisch nicht so exponiert ist wie Uwe Tellkamp, nicht diskutiert worden, obwohl Kenner der Kreise einige Anknüpfungspunkte finden könnten.

Ergiebiger wäre es, den Kreis der Künstler mit den um sie kreisenden Trabanten – Mäzene, Käufer, Verfallene – als verfremdete Parabel auf die Literaten zu sehen, die nach denselben Mechanismen funktionieren. Beide Gruppen sind auf die erotische Inspiration angewiesen, um schöpferisch tätig zu sein. Ob er sie nun auf der Leinwand oder zwischen zwei Buchdeckeln verewigt – „die gelbstichige und die graustichige Haut, die der Rothaarigen und die der Blonden, die ins Oliv gehende Samtigkeit und die müde Unfrische (…) nicht zu reden von der jugendlichen und der später erschlaffenden Haut, der gesunden und der kränklichen“ – der Eros der Muse und der Übertritt von der Realität in den künstlerisch-darstellenden Stoff sind derselbe.

Auch wenn das Milieu der Künstler Mosebach, der einen ausgeprägten Sinn für die Schönheit der Kunst besitzt – die sich in der Wirkung des Auftritts zeigt – nicht völlig überzeugen mag, bleiben die Schilderungen der charakterlichen Abgründe des machiavellistischen Malers Louis Creutz, besonders die Beschreibungen der geschundenen und kranken Obdachlosen, die Creutz einst Modell standen, im Gedächtnis haften. Die Hauptfigur gleicht dem von Thomas Hobbes geprägten Satz „Homo homini lupus est“ („Denn der Mensch ist dem Menschen ein Wolf, kein Mensch“), der hier mit erotischer Konnotation des Machtgefälles zutage tritt.

Die Richtige gehört in der Gesamtbetrachtung nicht zu den stärksten Romanen von Martin Mosebach, gerade wenn man es mit den tiefsinnigen Werken Westend und Krass vergleicht. Die feine und klassische Schreibweise macht es trotz der Kritik zu einem Nebenwerk, das sich lautlos in das durchaus beachtliche Gesamtwerk einreiht – und ist in der Konsequenz ein Roman, der, wenn nicht Martin Mosebach der Verfasser wäre, wohl keine Beachtung gefunden hätte, in diesem literarisch dürftigen Jahr jedoch Beachtung fand.

Martin Mosebach: Die Richtige, 2025 im dtv-Verlag erschienen. Gebunden, 352 Seiten, 26 €.

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