„Bescheidenheit ist die aufreizendste Pose, die ich kenne!“ Diese profunde Weisheit Oscar Wildes, in all ihrer aufreizenden Schlichtheit, kam dem Autor spontan in den Sinn, als der jüngst heimgegangene Papst Franziskus erstmalig – in schlichtestem Weiß – neugewählt als Bischof von Rom auf dem Altan von Sankt Peter erschien.
Spontan fiel ihm Wildes Satz bei, ebenso spontan kam ihn die Ahnung von schlechtem Gewissen an. Selbstredend: Daß auf einen ästhetischen Hochgenus wie das Pontifikat Benedikts XVI. die leicht aufgesetzte Bescheidenheit eines etwas feisten Mannes aus den Slums Lateinamerikas folgen sollte, war eine Kröte, die es zu schlucken galt. Doch wenn der Heilige Geist selbst die Kröte serviert, sollte es opportun scheinen, die eigene zu prüfen, ob es sich nicht doch um einen Teller voll Froschschenkel handelt.
Man vergebe den abseitigen wie banalen Scherz, doch ist er nicht minder banal, als jenes vermeintliche Dilemma, das er scheinbar bloß aufzeigt, und an dem sich – vielleicht WEIL es so banal ist – eine bösartige Bande ungepflegter, und noch abseitigerer, Traditionalisten aufreibt.
Denn so wohlfeil jene ostentativ vor sich hergetragene Bescheidenheit anmutet, umso wohlfeiler bleibt stets die Klage darum. Ist das schrille Geschrei armseliger Plebejer, aus denen die Kirche eben KEINE echten Fürsten zu machen vermochte, doch weitaus vulgärer, wenn sie sich in Cappa Magna feiern lassen, ‚aristokratisch‘ geben, wo sie nur kleine Leute mit engen Geistern sind, und da, wo der Protestantismus versucht hat, aus dem Christentum eine Buchreligion zu machen, selbst eine Kirche voll kleinlicher Regeln propagieren, seien es solche des Sexus – abgeleitet aus einer reduktionistischen Theorie, die ungeglaubt ist wie die Götter in Rilkes Parkgedichten – seien es solche des Fastens in einer Gesellschaft, deren Unterschicht so verfettet ist, daß Verzicht wie Luxus erscheint?
Tatsächlich können derartige Forderungen in Kreisen paranoid-fundamentalistischer Katholiken recht skurrile Formen annehmen, wo ein flüchtiger Bekannter des Autors die eingestandene Homosexualität unausgelebt lässt, gleichzeitig die Fastenzeit mit einer Langusten-Kaviar-Diät feiert. Nicht weniger verkrampft, wenn auch gefährlicher, erscheint der Versuch einer Baronin Beverfoerde, durch krude Doktrinen davon abzulenken, daß der deklassierte Gespons als Gerüstbauunternehmer einem Gewerbe nachgeht, für das er im Alten Reich des Adels wäre verlustig gegangen.
So fragwürdig Miss Homophobia 2012 sein mag, nachgerade gemeingefährlich ist ihre protestantische Busenfreundin (Honi soit..), die über die falschen Alternativen nachdenkt, da sie statt der schönen Prinzessin nur eine häßliche Herzogin ist und deren Cousin Paul sich als umso ‚katholischer‘ geriert.
Und harmlos wirkt scheinbar nur Pachamama-Tschugguel, der ohne versoffenen Studententroß als leisetretender Füllersammler daherkommt, und selbst als Verheirateter bloß ein Incel bleibt. Denn ‚Incel‘ ist eine Lebensform, keine Lebensart, man ist es nicht, weil man keine Frau findet, sondern einfach deshalb, weil man ein schlechter Mensch und darüberhinaus hirnlos ist. – Der Autor muß hier versichern: Er spricht aufgrund eigener, schmerzlicher Anschauung, denn in Bonn schwemmt so einiges an und sammelt sich schließlich in nicht nur Zusammenrottungen phantasiekostümierter Vormärz-Jakobiner, sondern leider auch einem Verein, der den Tridentinischen Ritus zu neurechts-pseudokatholischer Nabelschau mißbraucht.
Alle jene Möchtegern-Adligen, Nicht-mehr-so-ganz-Aristokraten und verhinderten Frauenlieblinge haben die Geschenke der Vorsehung als Kröte geschluckt, statt die Perspektive zu wechseln und das So-Sein der Dinge als Anlass zum vielschichtigeren Denken zu nehmen, eben als das, was sie sind: Geschenk von ganz oben. Denn nichts anderes sind sie, sei es der selige Franziskus oder gar andere Zumutungen des Hl. Geistes, wie genuin konservative Forderungen nach Nächstenliebe, Bewahrung der Schöpfung, Gerechtigkeit im Sozialen oder der Geschlechter. Die indes spielt man gern herunter, zugunsten vulgärer wie diabolischer ‚Errungenschaften‘ des fatalen 19. Jahrhunderts wie Turbokapitalismus und Neoliberalismus, verbürgerte Ehe– und Familienbegriffe, gewiß nicht zuletzt jakobinisch-nationalistischer wo nicht völkischer Blödsinn – Begriffe also, die nur jemand für „konservativ“ halten kann, dessen Geschichtsverständnis bloß bis kurz vor Leipzig/Einundleipzig reicht, und dessen Reichsidee mal gerade teutonisch und nicht Römisch ist. Und Sowelche wollen katholisch sein!
Doch zurück zur Bescheidenheit: Tatsache ist ja – es schallt aus aller Munde – was einst als Modestia zu den Kardinaltugenden gehörte, kommt als solche verdammt gut an. Sie kommt gerade da gut an, wo ein einfacher und im Lebenszuschnitt bescheidener Aristokrat wie Benedikt XVI, der die Last traditioneller Schönheit wie ein Kreuz auf sich genommen hat, vom simplifizierenden Pöbel für unbescheiden und die Schönheit für leerer Prunk gehalten wird. Leider aber gibt es vor Gott keinen Pöbel, die Schlichten – und Schlichtgehaltenen – sind seliggepriesen, und relevantere Kreuze sind denkbar, denn ästhetisierende.
Natürlich wirkt es für differenzierter Denkende nicht als sonderlich große Tat, wenn ein schlichter Mann wie Franziskus auf einen Aufwand verzichtet, der ihm eh lästig wäre, und eine Einfachheit praktiziert, hinter der ein noch größerer Aufwand an reinen Kosten steckt, als die traditionelle Etikette verursacht hätte. Man vergesse nicht: Auch der Königin von Frankreich warf man ein allzuweißes Hemd vor, und man drehte aus einem Halsband den Strick, das sie eben NICHT gekauft hatte.
Gleichwohl stellt die Bescheidenheit eines Bescheidenen keine sehr große Tat dar, sie spricht nur für große Persönlichkeit. Womöglich ist es ja auch so, daß das Wirken des Heiligen Geistes nicht willentlich darauf abzielt, im Wesen bescheidenen Päpsten die Möglichkeit zu aristokratischer Größe zu geben, sondern eher darauf, eine gute Wirkung – im Sinne einer solchen als Folge von Ursachen, wohlgemerkt – zu erzielen, und zwar ‚gut‘ mal tatsächlich als ‚gutmensch‘-licher Begriff.
Was, wenn jene vivifikanten Entität, die mit Vater und Sohn wesenseins und Gott ist, tatsächlich eher auf etwas so blödsinnig Wokes verfallen ist, wie den Armen eine Würde zu geben zu wollen, denn darauf, diejenige eines Papstes hervorzuheben? Auch wenn jener Papst dabei in den Augen geschmäcklerischer ‚Feingeister‘ ein wenig albern, und in denen antichristlicher Katholiban wie jener Satan erscheint, dessen Werkzeug sie selbst ja sind, ohne es freilich zu ahnen?
Was, wenn der Heilige Geist tatsächlich wollte, daß die Botschaft Christi durch einen Papst genau so gelebt wurde, daß die in immer zunehmendem Maße gerade durch ‚Errungenschaften‘ des Kapitalismus und der Moderne Simplifizierten sie in seinem Tun nicht aus einem – für sie – Wust von Tradition, Etikette und Ästhetik herauslesen müssen? Und in diesem Sinne fragt sich auch Einer, der sich allzugerne vor dem Allerheiligsten in den Staub wirft, ob nicht Jener, der den Tabernakel umarmt wie einen Baum, Christus näher ist.
Derweil aber scheint es zumindest so, als seien gerade diejenigen, die seit Urzeiten Demut vor dem Klerus forderten, zu einer solchen vor dem Heiligen Geist und seinem Wirken nicht im Mindesten bereit. Verwunderlich ist dies nicht, selten steht die Botschaft oder gar Gott im Zentrum. Selbst gemäßigtere als die Katholiban versuchen, die Religion und deren legitime Forderungen an den Gläubigen ihrer weltlichen Doktrin zu unterwerfen, zuletzt Julia Klöckner, deren Gott eine unchristliche Partei ist, zu deren Diensten sie die wahre Kirche Christi – wie auch die wohllöblichen Ableitungen aus einer solchen – mißbrauchen will. Jene eigentliche Form der Demut aber, die der Geist fordert, um sein Wirken verstehen zu können, findet man selten bei jenen, die das Aschenkreuz noch im Fernsehen tragen. Der Geist aber weht nicht nur wo, sondern auch wie er will, selbst wenn auf einen bescheidenen Aristokraten im Purpur und einen schlichten einfachen Mann im weißen Tuch Einer folgen sollte, dessen Vulgarität selbst den rechtmäßigen Purpur bloß angemaßt schienen läßt.
In diesem Sinne: Veni Creator Spiritus, sei uns gnädig, und wenn nicht, gib uns Demut, Dein Wirken als Geschenk zu sehen!