… Damit ist der neue Rekord von 3333 Versen im Jahr bereits zur Jahresmitte erreicht (bisher war 1986 mit 3286 das versreichtste Jahr). Uff. Am Werk, bis die Nacht sich neigt und der Juni mit ihr.
1. 7.
3333 – das ist die potenzierte Hydra-Zahl. Und ein Buch mit der Hydra im Titel sollte eigentlich 333 oder 999 Seiten haben.
S. hat Himbeeren gepflückt und kredenzt einen Kuchen.
Zum dritten Mal der Schwalbenschwanz: diesmal als flüchtig leuchtender Garten-Besucher. Ich werde an den Ausruf des Franzosen auf dem Vesuv erinnert: „Voilà la Cléopatre!“
2. 7.
Im Garten Schwalbenschwang und Admiral, doch nur für Augenblicke. Stürmischer Wind kommt auf. Am Abend wieder der Admiral. Er ist jung und sehr schnell, so daß der Blick ihm kaum zu folgen vermag. Aber dann läßt er sich dreimal auf meiner Hand nieder.
3. 7.
Früh der erste Regen, seit wir aus Erfurt zurück sind.
Das 20. Jahrhundert als ein großes Exil, Baudelaire nimmt diesen Gedanken vorweg in seinem Gedicht „Der Schwan“, darin besteht seine Prophetie.
Im Garten gleich der Admiral. Die zweite, die hohe Falter-Zeit ist angebrochen. Madonnen-Lilien, Rosen und Rittersporn vom Regen erfrischt. Die Wespen haben im Bienenhaus ein großes grau glänzendes Nest gebaut. In einem der Eimer ist die Wasseroberfläche mit winzigen Fliegen bedeckt, in dem anderen nicht. Warum ziehen sie jenen Sterbe-Ort vor? Martin kommt und mäht die Wiese vor dem Garten mit der Sichel ab.
4. 7.
Reading E. Strauß, „Der Schleier“.
Mittags U.L. Kaffee im Garten. Vorgelesen: „Homerische Fragen“ und Tagebuch April – Juni.
5. 7.
Ich habe nicht der Welt und auch keinem Menschen zu dienen, nicht einmal mir, sondern dem Werk. Vor allem habe ich dafür zu sorgen, daß es entstehe, alsdann, daß es nicht gleich verlorengehe, sondern einen gewissen Bestand habe in der Zeit. Alles, was dem förderlich ist, muß ich an mich ziehen und am Leben erhalten.
Rainy day. Der Verleger mit argem Zahnschmerz. Korrektur-Arbeit: „Die Häupter der Hydra“, „Refugium I“.
6. 7.
Weitere Korrektur: „O Glück der Farben“. U. leaving in the afternoon.
7. 7.
Chatschaturjan, „Gajaneh“ – gut, nicht nur der Säbeltanz.
Nach langer, langer Zeit die Falkner-Szene aus der „Frau ohne Schatten“. Ich sah die Oper vor 20 Jahren zweimal und halte sie für die beste von Strauss.
8. 7.
Nun Clematis üppig und prächtig. Die Falter segeln. An den Blüten Hummeln und Wespen, keine Bienen. Die Imker, so heißt es, haben ihre Bienen getötet, weil sie den Honig nicht verkaufen konnten.
9. 7.
Traum: Ich war zu einer Hochzeit geladen. Auf dem Wege sah ich G. Pf. und D.S., die sich prügelten. Ich trat dazwischen und händigte G. einen Brief aus, den ich ihm geschrieben hatte. Dann ging ich zum Standesamt, wo Christine D. wieder heiratete, ich wußte nicht, zum wievielten Male. Ein Redner würdigte die Verdienste des Bräutigams, eines jungen schmächtigen Mannes, den er als Kämpfer gegen „Rechtsradikale“ bezeichnete. Daraufhin regte sich Unmut in meiner Umgebung. Leider bemerkte ich nun, wie unaufhaltsam das Erwachen nahte.
Ich trete im Garten mit dem nackten Fuß gegen einen Stein und verletze mich am Zeh. Sehr schön das hellrote Blut. Wie es dann verharscht und schwarzer wird. Wenig später verletzt sich S. an der Harke.
Vorrede zu „Refugium“ am frühen Nachmittag abgeschlossen.
Abends gaukelt der Admiral überm Weg, verfolgt vom Ochsenauge.
Reading Eichendorff, Gedichte. Das Motto für „Refugium“ von ihm:
„Was willst auf dieser Station
So breit dich niederlassen?“